Ist Wrestling überhaupt ein Sport? Wir gehen der Frage nach

Beim Wrestling Luchador im Ring

Thema Wrestling: Es war ein Kampf für die Ewigkeit. Dustin Rhodes, auch als Goldust bekannt, zog sich mit 50 Jahren nochmal die Ringkleidung an, um gegen seinen Bruder Cody in den Kampf zu ziehen. Vor dem Kampf hätte niemand gedacht, dass Dustin im Spätherbst seiner Karriere sein wohl bestes Match zeigen würde. Es war eine gnadenlose und auch blutige Schlacht gewesen, nach der sich die Brüder schweiß- blut- und tränenüberströmt in den Armen lagen.

Wrestling steht nicht nur für spannende Kämpfe, sondern auch für Emotionen. Emotionen, die meist nach Drehbuch kommen, in diesem Fall aber auch ein bisschen ehrlich waren. Die beiden Brüder haben ein Stück Wrestling-Geschichte geschrieben und die Aktion nach dem Match stand nicht im Script. Doch was ist ein Titel wert, den man beispielsweise anders als beim Boxen nach Drehbuch erringt? Und ist das überhaupt noch echter Sport? Beim Thema Wrestling scheiden sich die Geister. Die einen feiern ihre liebsten Wrestler frenetisch ab, die anderen belächeln den Sport, der für sie nicht mehr ist, als ein großer Fake.

Ein Hauch von GZSZ

Ich selbst bezeichne Wrestling gerne als „GZSZ, bei dem es auf die Fresse gibt“ und meine das nicht einmal böse. Wrestling ist schließlich auch sehr viel Drama. Mal gibt es übermächtige Bösewichte, die von den Underdogs nach einer monatelangen Fehde dann entgegen aller Umstände bezwungen werden. Dann gibt es jahrelange Freundschaften die durch Verrat zerstört werden. Vor allem ein Titel kann die Freundschaft zweier Wrestler auf die Probe stellen, wenn Neid auf der einen und wachsende Arroganz auf der anderen Seite entstehen. Manchmal versucht ein Dritter auch bewusst Zwietracht zwischen den Freunden zu sähen.

Die Geschichten der Wrestling Promotions sind dabei nur selten originell. Sie folgen oft einem simplen Schema und strecken sich über mehrere Wochen oder Monate. Die höhere Kunst ist fast schon mehr das Storytelling im Ring selbst, der dem Kampf einen Spannungsbogen verleiht und dafür sorgt, dass sich die Matches nicht immer gleich anfühlen. Nur Vollgas mit den spektakulärsten Aktionen nutzt sich ab und auch der Zuschauer braucht Pausen zum Durchatmen.

Außerdem steht zwar eine grobe Struktur für den Kampf fest, aber bis auf wichtige Eckpunkte kann im Kampf vieles noch ausgestaltet werden. So wird auch mal improvisiert, wenn eine Aktion nicht ganz geplant lief, man das Ganze aber überspielt. Der Ringrichter ist zudem auch ein Sprachrohr zwischen Wrestlern und Regie und kann im Kampf schnell einige Anweisungen von oberer Ebene an die Kämpfer weitergeben.

Wrestling hat hohe Anforderungen

Trotz aller Inszenierung darf man die sportliche Seite des Wrestlings nicht ignorieren. Zwar gibt es auch Amateur-Ligen, in denen Wrestling ein Hobby ist, doch wer in den großen Promotions wrestlen möchte, muss topfit sein. Und verschiedene Wrestling-Stile stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Die mexikanischen Luchadores sind beispielsweise berüchtigt für hohes Tempo und spektakuläre Aktionen durch die Luft. Die Schwergewichte müssen lernen, wie sie ihre Würfe richtig ausführen ohne den Gegner zu gefährden. Einige Aktionen, die auf den Nackenbereich gehen, sind mittlerweile allerdings weitgehend verboten, weil sie zu gefährlich sind. Trotzdem gibt es noch immer meterhohe Sprünge von Käfigen und Leitern, Käfigmatches und Stühle, Tische und andere Gegenstände, die im Ring zu gefährlichen Waffen werden.

Auch das Arbeitspensum ist enorm. Neben der wöchentlichen im TV ausgestrahlten Shows der führenden Liga WWE, finden auch Shows abseits der Kameras statt, sodass einzelne Wrestler mehr als einmal pro Woche ein Match haben, auf das sich natürlich auch vorbereitet werden muss. Dazu kommen womöglich noch zusätzliche Auftritte in unabhängigen Ligen.

Wer nicht in Form ist, sollte auch nicht wrestlen. Das zeigte unter anderem auch der Kampf zwischen den beiden Wrestling-Legenden Undertaker und Goldberg beim WWE Super ShowDown. Viele Fans waren regelrecht entsetzt, als die beiden Oldies schon so früh die Kraft verließ, dass einige Aktionen gefährlich misslangen. Beim Wrestling hat man nicht nur die Verantwortung für die eigene, sondern auch für die Gesundheit des anderen. Wrestlerin Paige musste ihre Karriere nach einer schwerwiegenden Nackenverletzung beenden und Wrestler Pedro Aguayo Ramírez verstarb 2015 im Ring an den Folgen einer missglückten Aktion.

Wrestling kein Sport? Unsinn

Zugegeben: Einen Champions-Titel zu tragen ist beim Wrestling nicht die Belohnung für den Besten der Besten, sondern ein nach Drehbuch vorgesehenes Ereignis. Trotzdem sind die sportlichen Leistungen der Protagonisten beeindruckend. Wrestler, die sich vom Ringseil mit einem Salto ihren Gegnern entgegen katapultieren, sorgen ebenso für „Wow“-Momente, wie Wrestler, die zwei oder drei Gegner zugleich hochheben und auf die Matten hämmern.

Unsinnig wird’s in Matches, wo man einem Käfig entkommen oder eine Leiter zum Titel erklimmen muss und die Wrestler diese entscheidenden Meter in einem Schneckentempo zurücklegen, da der Kampf so schnell nicht vorbeisein darf. Aber es ist eben auch Teil des Dramas, das so ein Match erzählt. Es ist Unterhaltung. Trotzdem stockt einem immer mal wieder der Atem und die Fans tragen mit ihren Reaktionen maßgeblich zum Erlebnis bei. Das bedeutet nicht nur Jubel, sondern auch das Ausbuhen der Bösewichte, die sich nicht selten mit unfairen Aktionen den Sieg ergaunern. Was am Wrestling jedoch besonders ist: Der Sport funktioniert nur, wenn die Kontrahenten zusammenarbeiten.


Image by Joe Hernandez via Unsplash

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