Der E-Scooter: Aufstieg des Bösen?

Derzeit polarisiert kein Verkehrsmittel derart, wie der E-Scooter. Die einen sehen in ihm den Heilsbringer für den innerstädtischen Verkehr, andere hingegen das motorisierte Verderbnis. Das liegt mitunter an seinem rasanten Aufstieg. Von heute auf morgen standen sie plötzlich da: Roller in allen möglichen Farben. Sowohl in kleineren als auch in großen Städten prägten die smarten Roller in kürzester Zeit das Stadtbild und sorgten nicht überall für Wohlwollen.

Werfen wir einen Blick auf die Probleme der E-Roller. Nicht alle Gegenargumente sind bei den Scootern selbst zu suchen, sondern eine Frage der Infrastruktur, Weiterentwicklung und klarer Regeln.

Umweltfreundlichkeit mit Tücken

Elektromobiltät und Sharing Economy wird auch immer mit dem Argument der Umweltfreundlichkeit beworben. Dabei ist derzeit die Herstellung der Batterien noch ein zweischneidiges Schwert. Die Herstellung benötigt wertvolle und nicht nachwachsende Rohstoffe. Auf der anderen Seite tut sich derzeit jedoch viel beim Recycling der alten Batterien. Eine weitere zukunftsträchtige Entwicklung von Biobatterien, die etwa mit Abfallprodukten aus der Papierindustrie funktionieren. Für E-Scooter sind sie dennoch bislang zu groß.

So schön auch die Sharing Economy ist, so gering ist leider die durchschnittliche Lebensdauer der E-Scooter. Ich mag den Gedanken, dass ein Gerät von vielen genutzt wird und dadurch eine deutlich höhere Nutzung hat als der Roller im Eigenbesitz. Der eigene Roller würde allerdings länger halten, als die 28 Tage, die eine Studie des US-Newsletter Oversharing angibt. Dafür sorgt auch der teils schlechte Umgang mit den Rollern, da es ja nicht der eigene Besitz ist. In Paris wurden auch schon Roller aus der Seine geborgen, die wütende E-Scooter-Gegner rabiat aus dem Weg geräumt haben. Selbiges Schicksal erlitten aber auch schon Leihfahrräder.

Auch wenig Umweltfreundlich ist der Transport per Auto zum Aufladen der E-Scooter. Insgesamt gibt es also ganz viele Faktoren, die zusammen dafür sorgen, dass die vermeintlich umweltfreundliche Alternative unterm Strich doch nicht ganz so grün ist. Eine bessere Infrastruktur könnte auch an dieser Stelle mit Ladestationen zumindest den Transport als Faktor reduzieren.

E-Scooter auf dem Gehweg
Nicht ganz so grün wie sie aussehen. Die Umweltfreundlichkeit der E-Scooter lässt sich noch verbessern. Image by Vince Jacob via Unsplash

Warum nicht Fahrrad statt E-Scooter nehmen?

Der E-Scooter soll das Problem der sogenannten letzten Meile lösen, also die Strecke zwischen einer Bus- oder U-Bahn-Station und dem eigentlichen Ziel. Nach persönlichem Empfinden ersetzt der E-Scooter jedoch weniger das Auto, als dass er die Personen anspricht, die sonst ihren 15-minütigen Weg problemlos zu Fuß bewerkstelligt haben.

Das wirft die Frage auf, warum man nicht einfach das Rad nimmt, beziehungsweise das Angebot an Leihrädern verstärkt. Es mag manche überraschen, aber zu Fuß gehen oder Radfahren ist tatsächlich umweltfreundlicher als der E-Scooter und bei der dichten Vernetzung in Stadtzentren – in denen die Roller vorwiegend verfügbar sind – ist die Notwendigkeit eines solchen ohnehin fragwürdig. In ländlicheren Regionen, in denen die Distanzen größer sind und Busse und Züge vergleichsweise selten fahren, gibt es hingegen keine E-Scooter, weil es sich für die Betreiber nicht lohnt.

Ein Fahrrad wäre übrigens auch die gesündere Alternative, wenn einen der Fußweg zu lang ist. Ohnehin bewegen wir uns zu wenig und sind nicht selten weit von den empfohlenen 6.000 bis 10.000 Schritten am Tag entfernt. Wieso also auch noch die wenige gesunde Bewegung auf dem Weg zum Büro weglassen? Erinnerungen an die Zukunftsvision des Films Wall-e werden wach. Wer der Absurdität die Krone aufsetzen möchte, fährt allerdings am besten noch faul mit dem E-Scooter zum Fitnessstudio und wieder zurück. Körperliche Ertüchtigung bitte nur als Lifestyle.

Aber ja, auch der E-Scooter hat seine klaren Vorzüge. Hat die Bahn mal wieder Verspätung und man ist spät dran für einen wichtigen Termin, ist der Roller optimal, um die Zeit wieder aufzuholen ohne schweißdurchtränkt anzukommen. Auch Personen mit körperlichen Einschränkungen profitieren von elektrischen Mobillösungen. Auf den E-Scootern sehe ich aber eigentlich fast nur Personen, die jung und ohne sichtbare Einschränkungen sind.

E-Scooter in die Infrastruktur integrieren

Ich habe mich schon öfter gefragt, ob die E-Scooter nur vorwiegend von Bekloppten genutzt werden, oder ob man selbst bekloppt wird, wenn man auf die Geräte steigt. Viel zu oft werden die Roller von zwei Personen zugleich genutzt oder nebenbei mit dem Handy ein Selfie gemacht und dabei rücksichtslos auf dem Gehweg gefahren. Dabei ist das eigentlich nicht einmal erlaubt.

Auch wenn die Roller auf den Gehwegen stehen, dürfen sie nämlich nur auf Radwegen oder in Ermangelung dieser auch auf Fahrbahnen genutzt werden. Auf Gehwegen oder gar in Fußgängerzonen, sind E-Scooter verboten, wenn nicht explizit freigegeben. „Radfahrer frei“ gilt übrigens nicht automatisch für E-Roller.

Aber damit kommt das nächste Problem: Unsere Radfahr-Infrastruktur. Jüngst zeigte eine Kurzstudie des Umweltverbandes Greenpeace, wie wenig die sechs größten Städte Deutschlands für den Radverkehr investieren. Stuttgart investiert demnach mit fünf Euro pro Kopf im Jahr noch am meisten Geld für den Radverkehr. Wirklich deutlich wird die Vernachlässigung jedoch im Vergleich mit Amsterdam und Kopenhagen.

In Amsterdam gibt man elf Euro pro Kopf aus. Ohnehin sind die Niederländer eine Fahrradnation, was sich im 32 Prozent großen Anteil des Radverkehrs zeigt. Mehr als doppelt so viel wie in unseren Städten. Bauprojekte werden zudem oft mit Auge auf den Radverkehr geplant. Das Unfallrisiko ist dabei um ein Vielfaches geringer als bei uns. Noch mehr gibt allerdings Kopenhagen aus. Satte 35,6 Euro pro Kopf gibt die Stadt für den Radverkehr aus und ist auch ansonsten ganz weit oben, wenn es um smarte Städte gibt. Der Radverkehr macht 29 Prozent aus und die Unfallgefahr liegt bei nur 0,7 Unfällen pro eine Million Radfahrten. Zum Vergleich: In Stuttgart liegt der Wert bei zwölf Unfällen.

Im Zuge der E-Scooter sollten Städte also auch ihre Bemühungen für eine gute Fahrradinfrastruktur ausbauen, von der auch die Roller profitieren.

E-Scooter ein wichtiges Zeichen für die New Mobility

Der Streit um die E-Scooter findet leider wenig differenziert statt. Während das eine Lager das E-Roller Prinzip verteufelt und nicht einmal versucht, auch mögliche Vorteile zu sehen, schimpft das andere Lager jeden der gegen die Roller ist gleich als Technologie- und Fortschrittsverweigerer, brandmarkt ihn als Ewiggestrigen. Das passt natürlich wunderbar zum Bild der „German Angst“, der deutschen Angst vor Veränderung, die nach aktuellen Studien jedoch rasant abnimmt.

Man traut sich kaum als genereller Freund neuer Mobilität das Wort gegen die E-Scooter zu erheben. Dabei sind gerade diese Meinungen die wertvollsten. Wer neuen Mobilitätslösungen positiv gegenübersteht, kann am besten dazu beitragen sie weiter zu entwickeln, wenn etwas noch nicht ganz zusammenpasst.

Der E-Scooter hat jedenfalls einen großen Vorteil: Wie kein anderes elektrisches Fortbewegungsmittel hat er sich innerhalb von kürzester Zeit verbreitet. Mit dem iPod stellte Apple damals die Weichen für das später scheinende iPhone. Der E-Scooter könnte ebenfalls die Übergangstechnologie für etwas Größeres sein. Mit den Rollern, und neuen Fahrdiensten wie etwa Moia, sehe ich einen positiven Trend für die Weiterentwicklung unseres Verkehrs.

So wie die E-Scooters derzeit sind, kann ich jedoch gut auf sie verzichten. Die Regeln sind unklar kommuniziert, die Roller stehen oft im Weg, die Fahrer sind zu großen Teilen rücksichtslos und die Umweltverträglichkeit relativ. Allerdings ist der E-Scooter eben auch neu. Neu für den Gesetzgeber, neu für die Unternehmen, neu für die Nutzer. Und sicherlich erst der Anfang einer größeren Mobilitätswende.


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